Eindringlich blicken die Augen Bela Lugosis in die Kutsche der jungen Amerikanerin Madeleine Short (gespielt von Madge Bellamy). Man ahnt es schon, hier bahnt sich nichts Gutes an. Im Schlepptau hat der Mann, der sich als haitianischer Voodoo-Priester entpuppen wird, eine kleine Gruppe von Zombies, die ihm willenlos folgen. Bereits davor waren die junge Frau und ihr Mann zu Zeugen eines unheimlich wirkenden Begräbnisses inmitten der Straße geworden. Aus Angst vor den Männern, die die Körper der Toten stehlen, fand der kürzlich Verstorbener seine (hoffentlich!) letzte Ruhestätte, inmitten einer frequentierten Gegend. Denn nichts ist für die Bevölkerung schlimmer als ihrer Individualität beraubt zu werden und willenlos auf den Feldern schuften zu müssen. Ein Thema, das wie so vieles in unserer modernen Popkultur mit der Geschichte der Sklaverei, Religion (in diesem Fall, die Vermischung des afrikanischen Animismus mit dem römisch-katholischen Christentum, die unter Voodoo bekannt werden sollte) und den Ängsten des weißen Mannes ihren Anfang nahm.
Im Geist der Zeit
„Well that’s a cheerful introduction to our West Indies“, ließen Regisseur Victor Halperin und Drehbuchautor Garnett Weston als Reaktion auf die Ereignisse ironisch den jungen Ehemann sagen. Man beachte: „Unsere Westindischen Inseln“ – denn als der Film am 28. Juli 1932 in die Kinos kam, war Haiti nach wie vor von den US-Amerikanern besetzt. Offiziell, weil man die Ordnung in diesem von Konflikten zerrissenen, hoch verschuldeten Land wieder herstellen wollte, inoffiziell weil man fürchtete, dass die Deutschen hier einen Flottenstützpunkt einrichten könnten.
Spätestens mit dem als authentisch verkauften Bericht des Schriftstellers, Okkultisten und Exzess erprobten Lebemannes William Seabrook war die Insel als „The Magic Island“ in aller Munde. Das Buch gilt (abgesehen von einem Essay von Patrick Lafcadio Hearn, der 1887 die karibischen Inseln bereiste) als der erste englische Text, der das Thema Zombie behandelt, und schlug, als es 1929 erschien, ein wie eine Bombe. Geschichten von Aberglauben, sexueller Ausschweifung und Blutdurst kamen den US-Amerikanern zu jenem Zeitpunkt gerade richtig, um die einheimische Bevölkerung im Zuge proamerikanischer Kampagnen (nicht selten als Argument der Rassentrennung) als Wilde zu charakterisieren. Zudem traf das Thema, so die Autorin und Filmemacherin Jovanka Vuckovic in ihrer Publikation „Zombie“, einen Nerv der Amerikaner, die sich ängstigten, von der Depression bedroht, ihr Leben mit Hungerlöhnen bestreiten zu müssen.
Tod und noch immer quicklebendig
So eroberte der Zombie vom haitianischen Raum aus als ein vom Voodoo verzauberter Schlafwandler die Kinoleinwand in den 30er-Jahren, bevor er sich schließlich von seiner Herkunft zu lösen begann und sich mit George A. Romeros „Night of the Living Dead“ (1968) endgültig in einen nach Menschenfleisch jagenden Leichnam wandelte. Romero selbst hatte seine Untoten zwar nie als Zombies bezeichnet, sondern eher als Ghule charakterisiert, doch prägte er mit seinem Werk das Zombie-Genre der nächsten Jahre. Viele Filme der 70er- und 80er-Jahre waren jedoch weniger von Romeros sozialkritischen Geist durchdrungen, sondern lebten von oftmals gewalttätigen Blut- und Sexorgien. Immer mehr eroberten auch Komödien (die erste Zombie-Komödie „The Ghost Breakers“ stammt im Übrigen bereits aus 1940 mit Bob Hope) die Herzen der Zuseher*innen.
Heute begegnet uns die Figur des Zombies in vielen unterschiedlichen Formen – von seiner anfänglich dahin schlürfenden bis hin zur moderneren rennenden und rasenden Variante. Der Zombie ist heute nicht nur im Film, sondern auch in Literatur, Computerspielen und Comics ein gern gesehener Gast. Oftmals gelingt ihm von hier der erneute Sprung auf die Kinoleinwand (oder immer häufiger via Bildschirm in unsere Wohnzimmer) wie die mittlerweile endlos erscheinende Reihe von Resident-Evil-Filmen oder die Filmadaption von Seth Grahame-Smith‘ Roman „Pride and Prejudice and Zombies“ zeigen. Mit der beliebten Fernsehserie „The Walking Dead“ hat es zudem auch eine Comic-Variante höchst erfolgreich in unser Heim geschafft.
Bevor der wandelnde Untote jedoch mit „White Zombie“ die Kinoleinwand erobern sollte, war ihm noch in Kenneth S. Webbs Musical ein Auftritt auf dem Broadway beschert. Das Musical mit dem schlichten Titel „Zombie“ wurde zwar nach wenigen Tagen abgesetzt, diente allerdings „White Zombie“ unter anderem als Vorlage. Anders als im heutigen Zombie-Film (abgesehen von Ausnahmen wie beispielsweise im romantischen Zombie-Liebesfilm „Warm Bodies“) gibt es darin für die Hauptdarstellerin Heilung. Die mittels eines Pulvers zu wenig furchteinflößenden willenlosen Zombies Umgewandelten stürzen gemeinsam mit ihrem Meister Bela Lugosi von der Klippe, der Bann ist gebrochen und Madeleine Short ist geheilt. Als 1936 eine unerfolgreiche schlechte Fortsetzung in die Kinos kam, war Bela Lugosi nicht mehr an Bord – sein Blick war es allerdings schon. Die Augen des Schauspielers fielen wie schon in „White Zombie“ auf das Publikum, wann immer dieser seine Kräfte gebrauchte.
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